Wenden auf der Autobahn?
Geisterfahrer waren falsch informiert

Leitartikel NGZ vom 27.09.2005:

Falsch verstandene Äußerungen des nordrhein-westfälischen Innenministers sorgten für Konfusion: Die Rheinische Post berichtete am 27. September 2005, bei Stau auf NRW's Autobahnen solle zukünftig unter polizeilicher Aufsicht gewendet werden dürfen. Ungeduldige haben das allzu freizügig interpretiert und sind bereits einen Tag später auf der A31 eigenmächtig umgekehrt. Ihnen droht nun Fahrverbot.

Nordrhein-Westfalen ist die Region mit der höchsten Autobahndichte und den größten Stau-Problemen Europas. Kein Wunder, dass Landesinnenminister Ingo Wolf eine Reihe von Maßnahmen durchsetzen will, um Belastungen durch Staus zu verringern. So könnte die Polizei in naher Zukunft ermächtigt werden, verkehrsbehindernde Fahrzeuge selbst abzuschleppen, ohne auf einen Abschleppdienst warten zu müssen.

Zu diesem Maßnahmenbündel gehört nach dem Leitartikel der Rheinischen Post/Neuß-Grevenbroicher Zeitung vom 27.09.2005 (»NRW testet Wenden im Stau«, Online-Version) auch das Umkehren auf der Autobahn: In unbestimmter Zukunft soll es bei großen Staus möglich sein, unter polizeilicher Aufsicht zu wenden und bis zur nächsten Ausfahrt zurückzufahren.

Die Meldung wurde noch am selben Tag hier in den FAHRTIPPS zitiert, und zwar mit mehrfachen Hinweisen, dass es sich um Zukunftsmusik handelt und eigenmächtiges Wenden weiterhin streng verboten bleibt (als wenn wir es geahnt hätten...) Auch im Fernsehen und im Rundfunk wurde vielfach darüber berichtet. Offenbar haben manche Zeitgenossen beim Frühstück jedoch nur die Schlagzeile gelesen.

 

Fahrverbot für Voreilige

Es kam wie befürchtet: Nicht alle Verkehrsteilnehmer haben die Berichterstattung korrekt verstanden. Auf der Autobahn A31 sind einige Fahrer erwischt worden, wie sie ihr Fahrzeug auf eigene Faust drehten, weil sie nicht im Stau stehen wollten. Als Geisterfahrer fuhren sie im Berufsverkehr zur nächsten Anschlussstelle zurück. Zum Glück kam es dabei nicht zu Unfällen, aber mit Wiederholungen ist wohl leider zu rechnen.

Auf die Voreiligen wartet nun ein Bußgeldverfahren, außerdem droht ein Monat Fahrverbot.

 

Wenden auf der Autobahn?

  • Nur, wenn es die Polizei anordnet und
  • nur, wenn es die Polizei überwacht!

Eigenmächtiges Wenden auf der Autobahn ist verboten!


 

So stellt man sich das in Zukunft vor

Wenn die Einsatzzentrale dazu den Befehl gibt, sichert die Polizei den Verkehr auf der betreffenden Strecke zunächst umfangreich ab (auch die Zufahrten zur Autobahn). Erst danach fordert sie die Verkehrsteilnehmer durch einzelne Weisungen auf, ihr Fahrzeug zu wenden und auf dem Standstreifen bis zur nächsten Anschlussstelle zurückzufahren.

Das Entrinnen aus dem Verkehrschaos wird kein Kinderspiel. Mit der Auflösung muss »von hinten nach vorne«, also am Stauende begonnen werden; hierbei werden die Beamten sicherlich jeden einzelnen Wendevorgang überwachen müssen. Autofahrer, die sich vordrängeln wollen, könnten sonst weitere Unfälle und damit völlige Blockaden verursachen. Die anschließende Begegnung mit entgegenkommendem Verkehr bei der Rückfahrt muss ausgeschlossen sein, bis dahin sollte also eine Vollsperrung der gestauten Richtungsfahrbahn bereits erfolgt sein.

An der nächsten Anschlussstelle angekommen, gäbe es zwei Möglichkeiten:

  • Entweder, der Fahrzeugstrom verlässt die Autobahn über den Zubringer, quasi verkehrt herum über den Beschleunigungsstreifen. Das erleichtert zwar das direkte Verlassen der Autobahn, erschwert aber die anschließende Eingliederung des Verkehrs erheblich.
  • Oder, die Fahrzeuge benutzen die richtige Ausfahrt, die nun ein paar hundert Meter später kommt  — doch dann müsste der gesamte Verkehr vorher erneut wenden, um richtig herum in den Verzögerungsstreifen zu gelangen.

In beiden Fällen wären weitere Fahrbahnsperrungen erforderlich, damit jeder den richtigen Weg findet und nicht aus Versehen weiter fährt als unbedingt nötig. Das alles zeigt, wie riskant und langwierig diese Maßnahmen unter Umständen sein könnten.

Deshalb wird es sich nicht um eine routinemäßige »leichte Übung« im Berufsverkehr handeln, für die sie von einigen übermütigen Fahrern fälschlicherweise gehalten wurde. Sondern eher um die letzte Option für den Super-Stau. Man könnte so zum Beispiel verhindern, dass Fahrzeugführer im Winter über Nacht in ihren Fahrzeugen sitzen bleiben müssen. Wann diese Maßnahme überhaupt erstmalig greifen kann, dürfte noch unklar sein.

 

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