Aktuelle Gerichtsurteile in Kurzform

Ralf Frommen

Rechtsanwalt Ralf Frommen kommentiert Gerichtsentscheidungen zum Thema Straßenverkehr.

Auf dieser Seite finden Sie kurz zusammgefasste Urteilssprüche im Überblick.


Halteverbot: Polizei ist bei Baustelle nicht für das Abschleppen zuständig
Für das Abschleppen von Falschparkern ist nicht die Polizei, sondern nur die Stadtverwaltung oder das Landratsamt zuständig.

Mit dieser Entscheidung gab der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg einem Autofahrer Recht. Einige Tage nachdem dieser sein Fahrzeug geparkt hatte, wurden wegen Bauarbeiten Halteverbotsschilder aufgestellt. Da der Fahrer im Urlaub war, konnte er sein Fahrzeug nicht entfernen. Die Baufirma informierte daraufhin die Polizei, dass der Wagen die Bauarbeiten behindere. Die Polizei ließ das Fahrzeug durch einen privaten Abschleppdienst abschleppen.

Der VGH entschied, dass der Autofahrer die Abschleppkosten nicht zahlen müsse. Die Polizei sei nämlich für das Abschleppen gar nicht zuständig gewesen: Zuständig sei die Straßenverkehrsbehörde. Die Polizei hätte nur im Eilfall eingreifen dürfen, also wenn es bis zu einem Eingreifen der Straßenverkehrsbehörde zu spät gewesen wäre. Dies war vorliegend nicht der Fall.

(VGH Baden-Württemberg, 1 S 2025/01)

 

Grundstücksausfahrt: Bei Unfall haftet grundsätzlich der, der aus der Ausfahrt fährt
Kommt es beim Verlassen einer Grundstücksausfahrt zum Zusammenstoß mit dem fließenden Verkehr, spricht der Anschein der schuldhaften Unfallverursachung gegen den, der das Grundstück verlässt.

Mit dieser Begründung wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Schadenersatzklage eines Autofahrers zurück, der aus einer Grundstücksausfahrt auf eine mehrspurige Straße eingefahren und hier mit einem anderen Pkw zusammengestoßen war.

Das OLG machte deutlich, dass ein - wenn auch nur teilweise bestehender - Schadenersatzanspruch des Autofahrers voraussetze, dass er ein Mitverschulden des anderen Fahrzeugführers beweise. Einen solchen Beweis konnte er in diesem Fall jedoch nicht führen. Damit spricht der "Beweis des ersten Anscheins" für sein alleiniges Verschulden.

(OLG Celle, 14 U 239/02)

 

Radfahrer: Kein Schadenersatz bei Zusammenstoß auf Gehweg
Eine verbotswidrig auf dem Gehweg fahrende erwachsene Radfahrerin muss ihren Schaden selbst tragen, wenn sie mit einem Pkw zusammenstößt, der rückwärts aus einer Hofeinfahrt fährt und den Pkw-Fahrer kein Verschulden trifft.

Mit dieser Entscheidung wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Klage einer Radfahrerin gegen einen Autofahrer auf Schadenersatz zurück. Der BGH war der Ansicht, dem Autofahrer sei kein Verschuldensvorwurf zu machen: Er sei langsam gefahren, habe beim Herausfahren mehrmals und schließlich am Ende der Ausfahrt nochmals gehalten. Die Betriebsgefahr des Pkw trete hinter dem Verschulden der Radfahrerin zurück. Diese fuhr verbotswidrig auf dem Gehweg, was ein grober Verkehrsverstoß sei.

(OLG Celle, 14 U 222/02)

 

Magersucht: Führerschein kann entzogen werden
Magersüchtigen, die durch ihren starken Gewichtsverlust sehr geschwächt sind, kann der Führerschein entzogen werden.
Dies bestätigte das Verwaltungsgericht (VG) Stade und hielt damit einen angeordneten Führerscheinentzug aufrecht. Die betroffene Autofahrerin war von der Polizei nach einem Verkehrsunfall wegen ihres unkonzentrierten Fahrens und durch ihre dünne Figur aufgefallen. Sie wog seinerzeit nur 33 kg. Das VG war der Ansicht, ihre verzögerten Reaktionen und körperliche Unkoordiniertheit würden ein Sicherheitsrisiko für den Straßenverkehr darstellen

VG Stade (1 A 1865/02)
 

 
Linksabbieger trägt bei Zusammenstoß mit Überholer Hauptschuld
Wer nach links abbiegt und dabei mit einem überholenden Fahrzeug kollidiert, muss den überwiegenden Teil des Schadens tragen. Jeder Autofahrer habe sich vor dem Linksabbiegen nicht nur durch Blick in den Spiegel, sondern notfalls mit einer Kopfdrehung zu überzeugen, dass kein Fahrzeug von hinten komme.Das OLG Frankfurt verurteilte einen Autofahrer zu einer Haftungsquote von 75 Prozent. Der Autofahrer wollte mit seinem PKW nach links in einen Feldweg einbiegen. Dabei übersah er ein überholendes Fahrzeug, das sich zu diesem Zeitpunkt im «toten Winkel» der Rückspiegel befand. Das OLG hielt dem abbiegenden Autofahrer vor, den Unfall weit überwiegend verschuldet zu haben. Als unerheblich werteten die Richter dabei, dass der Mann den Blinker gesetzt hatte. Dies entbinde ihn nicht von der Verpflichtung zur Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs.

OLG Frankfurt (1 U 113/01)

 
Keine Geschwindigkeitsüberschreitung
Kann der Autofahrer während eines Überholvorgangs ein geschwindigkeitsbegrenzendes Verkehrsschild, das nur auf der rechten Fahrbahnseite angebracht ist, nicht wahrnehmen, so kann ihm kein fahrlässiger Geschwindigkeitsverstoß zur Last gelegt werden.

OLG Düsseldorf (NZV 2002, 409)


Serienunfall: Nur für letzten Fahrer gilt immer Schuldvermutung
Bei einem Serienauffahrunfall gilt nur für den letzten Fahrer immer die Vermutung, aus Unaufmerksamkeit, wegen zu hoher Geschwindigkeit oder eines zu geringen Sicherheitsabstands aufgefahren zu sein. Für die übrigen Beteiligten könne davon nicht ohne weiteres ausgegangen werden, heißt es in dem Urteil des OLG Frankfurt.
Das Gericht sprach einer Autohalterin nur einen Teil des Schadenersatzanspruchs zu, die sie nach einem Auffahrunfall mit mehreren Beteiligten gegen einen anderen Autofahrer geltend gemacht hatte. Der beklagte Autofahrer war auf das Fahrzeug der Frau aufgefahren. Unklar war aber, ob sein Wagen von einem nachfolgenden Auto auf den der Klägerin geschoben worden war. In ihrem Urteil betonten die Richter, den aufgefahrenen Fahrer treffe in diesem Fall nicht wie sonst bei einem Auffahrunfall die alleinige Haftung. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass er erst von dem nachfolgenden Fahrzeug auf den Wagen der Klägerin geschoben worden sei.

OLG Frankfurt (7 U 105/01)


Oberlehrer
Autofahrer sollten nicht versuchen, andere Verkehrsteilnehmer aus Wut über ihr Verhalten durch Fahrmanöver wie Ausbremsen zu maßregeln. «Oberlehrer», die durch solches Verhalten im Straßenverkehr einen Unfall provozieren, laufen Gefahr, für die Schäden allein haftbar gemacht zu werden. Im konkreten Fall hatte sich ein Mann über das Verhalten einer Autofahrerin massiv geärgert, ihr Auto überholt und anschließend scharf abgebremst. Es kam zu einem Auffahrunfall, für deren Folgen der Kläger die Frau als Auffahrende haftbar machen wollte. Dies lehnte das Gericht - zu recht - ab.

LG Mönchengladbach (Az.: 5 S 86/01)


Ersparte Eigenaufwendungen bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges
Die Eigenersparnis des Unfallgeschädigten, der einen Ersatzwagen angemietet hat, der seinem Unfallfahrzeug entspricht, wird von den Versicherern im allgemeinen mit 10-15 % angesetzt. Das OLG Nürnberg und das LG Ansbach setzen diese Eigenersparnis nur mit 3 % an. Dieser Wert beruht auf den Ausführungen des Leiters der Forschungsstelle Automobilwirtschaft an der Universität Bamberg, Prof. Dr. Meinig, in DAR 1993, 281.

OLG Nürnberg (NJW-RR 2002, 528)


Grobe Fahrlässigkeit bei Überfahren eines Stopp-Schildes

Das Überfahren eines Stoppschildes stellt ein objektiv grob fahrlässiges Verhalten dar und ist ein Indiz für ein auch subjektiv grob fahrlässiges Verhalten. Dies gilt in besonderer Weise dann, wenn die Kreuzung ampelgesichert ist und ein ständiges Blinken des Gelblichts darauf hinweist, dass die Ampelanlage außer Betrieb ist. Die Vollkaskoversicherung ist nicht eintrittspflichtig.

OLG Köln (NJW-RR 2002, 535)


KFZ Kaskoversicherung muss zahlen
Autofahrern, denen aus unverschlossenen Umkleideräumen einer Sporthalle der Autoschlüssel und anschließend das Auto gestohlen wird, riskieren keineswegs ihren Kasko-Versicherungsschutz. Das hat das Landgericht Coburg in einem Urteil entschieden. Im konkreten Fall hatte ein Autofahrer beim Sporttreiben irrtümlich seinen Autoschlüssel in dem Umkleideraum zurückgelassen. Die Versicherung hatte daraufhin die Entschädigung des Autodiebstahls verweigert.

LG Coburg (21 O 718/01)

Homepage des Autors, Rechtsanwalt Ralf Frommen: www.advokat-online.de

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